Zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung

MODUL

Interact 

TYP

Erkenntnis 

SOURCE

Selfreflection

Stellt euch vor, ihr seid frei – absolut frei.

Keine Ketten, keine Vorgesetzten, keine Regeln. Klingt wie ein Traum, oder? Diese Freiheit verwandelt sich in einen gnadenlosen, selbstauferlegten Arbeitsmarathon. Wir sagen "Adieu" zu unterdrückenden Systemen, nur um uns selbst in die Sklaverei der Arbeit zu stürzen.

 

Was passiert, wenn wir wirklich tun, was uns erfüllt? Ja, wir sind erfüllt – von Arbeit, Erschöpfung, Burnout.

Um 11 Uhr nachts falle ich ins Bett, die Augenringe so groß wie die Essiggurken auf meinem Morgentoast. Und dann, kaum dass der neue Tag angebrochen ist, kurz essen, zieht es mich zurück an die Arbeit. Arbeit, getarnt als Erfüllung.


Seit Anfang Januar habe ich jeden Tag gearbeitet. Montag bis Freitag, Samstag bis Sonntag. Endlich tun was wir gerne machen, tönt nach Erholung, ist es aber nicht. Nicht im geringsten. „My little Dystopia; if we could change the world“ ist eine Vision, ein Traum, eine Dystopie. Zuerst gestresst nichts tun weil wir niemanden haben der uns zwingt, dann durcharbeiten ohne pause weil es unseren Ansprüchen entsprechen soll. Fast wäre der Traum geplatzt und für meine Psyche zu einem echten Albtraum geworden. Zum Glück wurde mir von meiner Beziehungsperson gesagt ich solle auf mich Rücksicht nehmen. So habe ich mir einen Freitag genommen. Das war das beste was ich tun konnte. Ohne das hätte ich nicht durchgehalten. Die Qualität des Projekts hat darunter auch nicht besonders gelitten, gar im Gegenteil ich hatte wieder Energie und Motivation. 

Traurig und aufgerüttelt hat mich dann das Openhouse. Meine Performance habe ich schlicht weg vergessen. Ich hatte viele Pläne Recherchearbeit zu machen in unserer Installation. Recherchearbeit zum Mappen meiner Gefühle in VirtualReality. Dies ist komplett untergegangen. Erschöpfung sei Dank. 

 


Hier liegt der Kern des Problems: Wie lernen wir, das zu tun, was wir lieben, ohne uns selbst auszubeuten? Es ist ein Balanceakt zwischen Selbstverwirklichung und Selbstfürsorge. Ich möchte diesen Teufelskreis durchbrechen, die Qual des schlechten Gewissens loswerden, die entsteht, wenn man nicht arbeitet, obwohl man könnte, um dann drei Wochen am Stück durchzuarbeiten, weil es mir wichtig ist und ich mich verantwortlich fühle. Es geht darum, einen neuen Weg zu finden – einen Weg, der Arbeit in eine Quelle der Freude verwandelt, statt in Erschöpfung.

 


Für mein nächstes Projekt setze ich mir das Ziel, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Wie genau, das steht noch in den Sternen. Aber eines ist sicher: Ich werde einen Weg finden, diese selbstauferlegten Fesseln abzulegen, bewusst Pausen einzuplanen, Wochenenden freizuhalten und eeeendlich früher anzufangen.

Nils Niederhauser

n.niederhauser@gmx.ch

:D